Abstract |
Das Haupanliegen dieser Arbeit ist die Untersuchung von Veränderungen in der Verarbeitung emotionaler Gesichter anhand behavioraler und neuronaler Parameter bei Kindern mit einer depressiven Störung im Vergleich zu gesunden Kontrollpersonen. Im Rahmen der beiden Hauptpublikationen (Publikation 1 & 2) wurden die Daten von Kindern (Alter: 11 - 14 Jahre) mit einer depressiven Störung (n = 26) und gesunden Kontrollpersonen (n = 26) ausgewertet. Die Diagnose einer depressiven Störung wurde anhand eines teilstrukturierten diagnostischen Interviews mit den Probandeneltern erfasst. Zudem wurden mittels Fragebögen die Selbsteinschätzung der Kinder und Jugendlichen zu ihren depressiven Symptomen erhoben. Die erste Studie untersuchte den möglichen Einfluss selektiver Aufmerksamkeit auf die Performanz in der emotionalen Go/NoGo-Aufgabe sowie potentiell zugrunde liegende Veränderungen in der neuronalen Verarbeitung anhand der N170 (Amplitude, Latenz und Topographie), eines Indexes für frühe Gesichtserkennung, bei Kindern mit einer depressiven Störung im Vergleich zu gesunden Kontrollpersonen. Auf kognitiv-behavioraler Ebene fanden sich kaum Unterschiede zwischen den beiden diagnostischen Gruppen: Sie unterschieden sich nicht in der Anzahl 'Falscher Alarme' und den Reaktionszeiten auf emotionale Gesichter. Auf neuronaler Ebene konnten Veränderungen in der frühen Verarbeitung emotionaler Gesichter bei Kindern mit einer depressiven Störung gefunden werden. Sie zeigten verkürzte Latenzen der N170 im Vergleich zu gesunden Kontrollpersonen und nicht die typische Rechtslateralisierung der N170. In der zweiten Studie wurden die Daten der gleichen Stichprobe hinsichtlich der Ausprägung des LPP (mean activity und Topographie) für die emotionalen Gesichter untersucht, die im Rahmen der emotionalen Go/NoGo-Aufgabe präsentiert wurden. Auch in dieser Studie konnte kein Hinweis auf einen emotionsspezifischen 'bias' gefunden werden. Allerdings weisen die Ergebnisse auf eine generelle Beeinträchtigung in der Verarbeitung menschlicher Gesichter hin, welche einen weiteren möglichen Biomarker depressiver Störungen darstellen könnte. Die dritte Studie untersuchte das globale und bereichsspezifische Selbstwertgefühl bei Kindern (n = 577, Alter: 8 - 14 Jahre) mit verschiedenen aktuellen und remittierten psychiatrischen Störungen im Vergleich zu gesunden Kontrollpersonen. Dabei wurden Komorbidität, geschlechtsspezifische Effekte, sowie der Einfluss von Alter und sozioökonomischem Status berücksichtigt. Kinder mit einer aktuellen psychiatrischen Störung berichteten geringere globale und bereichsspezifische Ausprägungen des Selbstwertgefühls als gesunde Kontrollpersonen. Auch Kinder mit einer remittierten psychiatrischen Störung beurteilten ihre kognitive Kompetenz, Peerakzeptanz und das globale Selbstwertgefühl schlechter als die Kontrollgruppe, was als Hinweis dafür gedeutet werden kann, dass Beeinträchtigungen auch nach Abklingen der Symptomatik bestehen bleiben. Die verschiedenen psychiatrischen Störungen zeigten kleine aber spezifische Effekte auf verschiedene Dimensionen des Selbstwertgefühls. Für komorbide Störungen konnte ein kumulativer Einfluss gefunden werden. Kinder mit einer depressiven Störung waren in ihrem globalen Selbstwertgefühl und der Bewertung ihres äußeren Erscheinungsbilds signifikant beeinträchtigt. Die vierte Studie untersuchte die Auswirkungen der Einführung der Elternversion des K-SADS-PL auf die Entlassdiagnosen einer kinder- und jugendpsychiatrischen Klinik. Das Anliegen der Studie war der Vergleich von Entlassdiagnosen stationärer und teilstationärer Patienten (Alter: 8 - 12 Jahre) vor und nach der Einführung des K-SADS-PL für Eltern als diagnostisches Standardinstrument im klinischen Alltag. Dabei wurden zwei Zwei-Jahres-Zeitintervalle untersucht: 2009 - 2010 (pre-sample; n = 177) und 2012 - 2013 (postsample; n = 132). Die Auswertungen zeigten eine signifikante Erhöhung der Diagnosen pro Patient und der Komorbiditätsraten im post-sample. Dies kann als Zeichen dafür betrachtet werden, dass das diagnostische Interview zu einer besseren Identifizierung von komorbiden Störungen führt. Der Anteil unspezifischer Diagnosen ("sonstige kombinierte Störungen des Sozialverhaltens und der Emotionen") nahm nach der Einführung des diagnostischen Interviews signifikant ab. Weiterhin zeigte sich in Bezug auf die Störungskategorien ein signifikanter Anstieg von Angststörungen, Anpassungsstörungen und somatoformer Störungen im post-sample. Auf Grundlage dieser Ergebnisse kann geschlussfolgert werden, dass die Einführung eines teilstrukturierten Interviews für Eltern in die Abläufe einer Kinder- und Jugendpsychiatrie einen substantiellen Einfluss auf den diagnostischen Prozess und die Diagnosestellung hat. - Contents: (1) Grunewald, M., Stadelmann, S., Brandeis, D., Jaeger, S., Matuschek, T., Weis, S., Kalex, V., Hiemisch, A., von Klitzing, K. & Döhnert, M. (2015). Early processing of emotional faces in a Go/NoGo task: Lack of N170 right-hemispheric specialisation in children with major depression. Journal of Neural Transmission, 122, 1339-1352. DOI: 10.1007/s00702-015-1411-7 (2) Grunewald, M., Döhnert, M., Brandeis, D., Klein, A. M., von Klitzing, K., Matuschek, T. & Stadelmann, S. (2019). Attenuated LPP to emotional face stimuli associated with parent- and self-reported depression in children and adolescents. Journal of Abnormal Child Psychology, 47, 109-118. DOI: 10.1007/s10802-018-0429-3 (3) Stadelmann, S., Grunewald, M., Gibbels, C., Jaeger, S., Matuschek, T., Weis, S., Klein, A. M., Hiemisch, A., von Klitzing, K. & Döhnert, M. (2017). Self-esteem of 8 to 14-year-old children with psychiatric disorders: Disorder- and gender-specific effects. Child Psychiatry & Human Development, 48, 40-52. DOI: 10.1007/s10578-016-0651-6 (4) Matuschek, T., Jaeger, S., Stadelmann, S., Dölling, K., Grunewald, M., Weis, S., von Klitzing, K. & Döhnert, M. (2016). Implementing the K-SADS-PL as a standard diagnostic tool: Effects on clinical diagnoses. Psychiatry Research, 236, 119-124. DOI: 10.1016/j.psychres.2015.12.021 |